{{postCount}} Glanzvoller Süden

Glanzvoller Süden

Grandiose Barockpracht in Kirchen und Palästen, eine ebenso üppige Küche, Meeresrauschen und über allem der schneebedeckte Gipfel des Ätna: Der Südosten Siziliens verführt uns mit allen Sinnen. Widerstand? Zwecklos!

Wir wollten zur barocken Kathedrale. Und unterwegs auf dem Markt von Syrakus nur kurz gucken. Aber bestimmt nichts kaufen. Schließlich hatten wir zum Frühstück gerade erst Granita al caffè mit dick Schlagsahne und ein ofenwarmes Brioche verspeist. Doch nun schleppen wir vollgepackte Tüten durch die sorgsam gekehrten Altstadtgassen. Darin Pachino-Tomaten, Kirschen, frisches Brot und scharf eingelegte Oliven, dicke Scheiben Pecorino und süßes Mandelgebäck. Wenigstens haben wir den lustig aufgerollten, silbernen Spatola-Fischen widerstanden. Und den frisch filettierten Sardinen.

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Schneebedeckter Feuerberg: Der Ätna – hier die Nordflanke – dominiert halb Sizilien

Ein palast mit 90 Zimmern – und Ballsaal

Sizilien kann es einem schon ganz schön schwer machen. Die süditalienische Insel ist in jeder Hinsicht derart üppig und verlockend, dass man immer nur zugreifen will.  Wir wollen den Südosten der Insel auf der Barock-Route bereisen und sind am Ätna gestartet. Geheimnisvoll schwingt sich einer der aktivsten Vulkane der Welt als gewaltiger, schneebedeckter Kegel bis auf
3.300 Meter Höhe. Während seine Nordflanke ein üppig grünes, kaum besiedeltes Weinbaugebiet ist, liegt dem Vulkan im Süden Catania zu Füßen, die zweitgrößte Stadt der Insel. Mit ihren prächtigen Palazzi, deren elegantes Fassaden-Anthrazit von beigemischter Vulkanasche stammt, und eleganten Plätzen wirkt die Stadt ein wenig wie das Mailand des Südens. 

Auf unserem Programm stehen neben dem UNESCO-Welterbe Syrakus, dessen Altstadt auf einer kleinen Insel vor der Küste liegt, das Städtchen Noto, das für seine Schokolade bekannte Modica und Ragusa Ibla. Städte, die 1693 bei einem verheerenden Erdbeben zerstört wurden und komplett neu aufgebaut werden mussten, mit viel Geld von Aristokratie und Klerus, und im damals angesagten Barockstil. Daher die prunkvollen Paläste, die üppig dekorierten Fassaden. Im entzückenden Städtchen Noto etwa hat sich ein gewisser Prinz Nicolaci ein Anwesen mit 90 Zimmern und Ballsaal hingestellt. Besonders prunkvoll ist die Fassade geraten: Die Balkone werden von geflügelten Löwen getragen, von nackten Sirenen, grotesken Satyrn und fliegenden Pferden, alle bis ins kleinste Detail aus dem weichen Sandstein der Region gemeißelt. Wir können uns kaum sattsehen.

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Wie der Kopf eines Seepferdchens ragt die Festung von Ortygia, der auf einer Insel gelegenen Altstadt von Syrakus, ins Meer hinein

in sizilien ist das leben reich, überströmend, emotional und voller wärme. barock in seiner schönsten form

Noto ist ein Gesamtkunstwerk, das sich anfühlt wie eine freundliche Umarmung. Die honigfarbenen Kirchen und Palazzi strahlen Wärme aus. „Setzt euch“, scheinen sie uns zuzuflüstern, „macht es euch gemütlich. Wir sind bloß das Bühnenbild. Lasst den Kunstführer stecken. Genießt die Show, das Leben!“ Und genau das machen wir jetzt auch. Bestellen im Caffè Europa Cassata aus süßer Schafsmilchricotta und gucken sizilianischen Alltag vor Prachtkulissen. Über der Kathedrale sind finstere Wolken aufgezogen, darunter drängen sich aufgeregt schnatternde kleine Mädchen in roten Glockenröcken, die Haare streng nach oben gezurrt, Tamburine in den Händen. „Tanzvorführung der Mittelschule“, erklärt eine Mutter stolz, als die ersten schweren Tropfen fallen, „zu Ehren der Unabhängigkeit Siziliens!

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Barockdetail am Palazzo Nicolaci in Noto. In Syrakus überrascht die Orecchio di Dioniso Höhle mit ihrem spannenden Durchblick.
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Ragusa Ibla schimmert in der Abenddämmerung wie eine geheimnisvolle Schatztruhe

Leben in barockem Überschwang

Hinter Noto wandelt sich die Landschaft. Aus der flachen Küstenebene geht es in die Monti Iblei hoch, ein karstiges, von Schluchten durchzogenes Hochland. Schmale, klatschmohngesäumte Straßen mäandern unter Steineichen durch Kornfelder – eine verlockende Einladung, ins Blaue weiterzugondeln. Doch wir wollen nach Ragusa Ibla. Denn dort findet heute das Fest von San Giorgio statt, dem Stadtpatron. Tausende von Menschen strömen auf die steil ansteigende Piazza von Ibla, wie der uralte Stadtkern heißt. Lichterketten glühen, von den Balkonen hängen rote Drapeaus, und vor der Bar „Al Borgo“ formiert sich die Kapelle der Carabinieri, wippende Federbüsche  auf ihren Dreispitzen. 

Alle gucken gespannt nach oben, auf die prächtig ausgearbeitete Fassade des Doms, der sich am Ende der Piazza wie ein Felsgebirge in den Abendhimmel erhebt. Bis sich die Tore öffnen und die Statue des Heiligen Georg die Treppe hinuntergetragen wird. Feuerwerk explodiert über den Dächern, gewaltige Böller lassen die Luft erzittern, Väter heben ihre Kinder in die Höhe. Als sich der Böllerrauch hinter die Domkuppel verzieht und mit den rosa Abendwolken vermischt, habe ich es endlich begriffen. Im barocken Sizilien geht es nicht um Architektur. Es geht um das Leben. Reich ist es hier, emotional, überströmend und voller Wärme. Barock in seiner schönsten Form. 
Annette Rübesamen

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