Interview mit Prof. Dr. Christian Haas, Alfred-Wegener-Institut
Wann waren Sie das erste Mal am Nordpol?
Prof. Dr. Christian Haas: Genau 30 Jahre bevor der Eisbrecher von Ponant seine Nordpolpremiere hatte. Ich gehörte zum Expeditionsteam der „Polarstern“, die im Jahr 1991 als erstes dieselbetriebenes Schiff der Welt den Nordpol erreichte. Vorher war das nur russischen Atomeisbrechern gelungen. Wir haben uns damals in Sibirien einfrieren lassen, waren drei Monate in kompletter Dunkelheit, aber dann war der große Moment gekommen. Für Ponant-Gäste ist das jetzt natürlich in vielerlei Hinsicht wesentlich komfortabler.
Was zeichnet das Expeditionsschiff von Ponant aus?
Die Eisbrecher-Qualitäten sind enorm. Mindestens so gut wie von unserer „Polarstern“, wenn nicht sogar besser. Die „Charcot“ ist heute das erste flüssiggasbetriebene Schiff, das diese Tour nicht nur meistert, sondern auch viel schneller als wir damals unterwegs ist.
Ein weiterer Pluspunkt ist die Sicherheit: Bevor die „Charcot“ am 06. September 2021 zum ersten Mal den Nordpol erreichte, wurde das gesamte Programm getestet. Noch vor der Schiffstaufe und ohne Passagiere an Bord. Die Ausflüge auf das Eis, die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen, die Eisbrecher-Qualität des Schiffs: Alles wurde mit Bravour bestanden. Wobei die Bedingungen – auch das muss man leider sagen – heute anders sind als damals. Vor 30 Jahren war das Eis auch im Sommer über zwei Meter dick, heute teilweise nur noch einen Meter. Da wird der Klimawandel sehr konkret.
Wie kam es dazu, dass auch Wissenschaftler an Bord gingen?
Unsere „Polarstern“ ist noch für viele andere Projekte im Einsatz und fährt daher nicht immer in die gleiche Region. Im Sommer macht sich das Schiff von Ponant gleich viermal auf den Weg zum Nordpol. Für uns als Wissenschaftler ist das jedes Mal eine wertvolle Chance, um autonome Messsysteme für Jahresvergleiche zu installieren und auszuwerten. Auch die Eisdickenmessungen vor Ort liefern uns immer wichtige Erkenntnisse: An Bord der „Charcot“ haben wir ein komplettes Labor, mit dem wir nahezu die gleichen Analysen wie auf der „Polarstern“ durchführen können.
Unsere Aufgabe ist es auch, junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu trainieren. Durch die häufigen Fahrten mit dem Ponant Schiff haben wir jetzt auch mal die Möglichkeit, jüngere Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft mit zum Nordpol zu nehmen, die vorher an Bord der „Polarstern“ ausgebildet wurden.
Gehen die Gäste auch mit Wissenschaftlern aufs Eis?
Na klar! Wer will, kann selber ein Loch in das Eis bohren, um die Dicke zu überprüfen. Das ist immer eine tolle Erfahrung. Auch eine Art „Bojen-Patenschaft“ ist möglich: Der Gast installiert vor Ort eine Datenboje im Eismeer und kann die gesendeten Informationen dann von zuhause aus online verfolgen, zum Beispiel: Wo befindet sich die Boje gerade? Wie kalt ist es vor Ort? So wird das Polarerlebnis für den Gast noch etwas verlängert.
Wo geht es als Nächstes für Sie hin?
Im Sommer zur Flugzeugmessung nach Grönland. Eventuell sehen wir dabei auch die „Charcot“, die sich von Sibirien kommend dem Nordpol nähert. Ich wünsche allen Gästen eine tolle Reise – das ist ein Erlebnis, das man nie wieder vergessen wird. Ich selbst war wirklich schon oft vor Ort, aber die raue Schönheit macht auch mich auch als Wissenschaftler immer wieder sprachlos.